Die Klinsmann-Zeit ist vorbei. Gott sei Dank. Auch für mich ist Jürgen Klinsmann kein Trainer. Er war ein  
toller Spieler, spektakulär und mit viel Spielverständnis. Doch als Person (und ein Trainer definiert sich  
hauptsächlich über seine Persönlichkeit) ist er für mich nichts anderes als ein kleines Kind, dass immer  
größtmögliches Lob und Anerkennung bekommen will, sich immer nach außen besser darstellen will als er ist  
(woher auch immer dieser Komplex kommt).  
Schon als Spieler hat er sich nicht allein auf seine Fähigkeiten verlassen, sondern hat Stammplatzgarantien  
in Verträgen haben wollen. Er ist immer dahin geganen, wo er garantiert Erfolg haben würde. Die Stationen  
Tottenham und Bayern wurden gewählt, weil beide Vereine in der Zeit davor keinen Erfolg hatten, so dass er  
sich darauf verlassen konnte, dass es nur aufwärts gehen und er als Messias gefeiert werden konnte.  
 
Nach seiner Spielerkarriere war ihm das aber nicht genug. Nun wollte er auch unbedingt eine internationale  
Legende wie Trappatoni oder Ferguson werden. Das geht natürlich nicht so einfach, wenn man erst mal klein  
anfängt und Bielefeld trainiert. Denn dafür muss man ja was auf dem Kasten haben.  
Also gewartet bis die Möglichkeit kam, Deutschland zu trainieren. Es macht mich traurig, wenn ich an das  
Zustandekommen denke. Rudi Völler war bis zur EM 2004 Trainer und hätte wahnsinnig gerne die Mannschaft zur  
WM in Deutschland geführt. Aber großmütig und selbstlos wie Völler ist, hat er gemerkt, dass Hitzfeld, der zu  
diesem Zeitpunkt frei war, der Richtige ist. Derjenige, den alle unbedingt eigentlich gerne hätten. Also hat  
er sein Amt niedergelegt mit der Aussage, es müsse jetzt einer kommen, der frisch ist und der Mannschaft  
mehr geben kann.  
Aber Hitzfeld sagte ab, Rehagel konnte nicht, Daum war auf Entziehung und 10 weitere haben auch abgesagt.  
Dann kam Klinsmann in diese tiefe Verzweiflung und stellte sein Konzept vor. 'Seine' genialen Ideen.  
Eigentlich plapperte er nur 1 zu 1 nach, was man ihm in Amerika erzählt hatte. Klinsmann wusste von der  
WM zuvor, bei der Südkorea zu Hause Vierter wurde, dass eine Heim-WM ein garantierter Erfolg ist. Zumal  
nach der verkorksten EM die Erwartungen der Presse auf dem Nullpunkt waren. So bekam er also tatsächlich  
den Job. Die WM, selbst wenn man nur die Vorrunde übersteht, gegen Fussballgiganten wie Equador, Polen und  
Costa Rikscha, konnte ja nur ein sensationeller Erfolg werden. Dass es im Fussballand Deutschland großen  
Enthusiasmus geben würde, war auch sicher. Nach dem großen Erfolg WM wollte Klinsmann dann (ich bin sicher  
dass dies im Vorhinein sein Plan war) zurücktreten, weil ja eine EM ohne Heimspiele folgte. Und es ist ja  
bekannt, dass die EM zumindest in der Vorrunde ein viel härteres Turnier ist. Dann stünde Klinsmann als  
Trainer-Genie der Neuzeit da, der sich die großen Vereine aussuchen kann, ohne jemals in irgendeiner Art  
und Weise als Vereinstrainer etwas getan zu haben.  
 
 
Dann gings los mit der Selbstinszenierung.  
Klinsmann wollte unbedingt Lehmann im Tor haben, wollte Kahn ausbooten, weil er eine zu große Persönlichkeit ist,  
weil es bestimmt mal Streit gab und weil er neidisch ist. Er wollte nicht, dass Olliver Kahn den Großteil  
bei einem Erfolg zugesagt bekommt, wie 2002. Er selbst will der Star des Teams sein.  
Somit also: Nicht etwa sagen: Für mich ist Jens Lehmann der Torwart, dann wäre er ja nicht everybody's Darling  
mehr gewesen. Also die Frage, wie kann man Olliver Kahn hinterhältig ausbooten? Am besten so, dass die Fans noch  
applaudieren? Und das geht so: Zunächst einmal darf Kahn nicht Kapitän bleiben, denn mit dem Amt hat Kahn noch  
mehr Macht als durch seine Fähigkeit und Persönlichkeit ohnehin schon. Also macht man Ballack zum Kapitän. Aber  
nichts gegen Olli Kahn, es soll halt lieber ein Feldspieler Kapitän sein. Ist eigentlich richtig, in diesem Fall  
aber wohl vorgeschoben, es ging lediglich um den ersten Schritt der Entmachtung. Jetzt wird verkündet, dass alle  
Positionen 'up for grabs' sind, auch die des Torhüters. Es gibt keine Stammplätze. Auch richtig, allerdings auch  
nur die Vorbereitung für die Entscheidung für Lehmann. Olliver Kahn ist die unumstrittene Nummer eins, also sagt  
Klinsmann, dass die Entscheidung für die Nr. Eins erst kurz vor der WM gefällt wird. Dann plötlich im Frühjahr  
zwei, drei Patzer von Kahn, und, wie überraschend, zufällig möchte man sich jetzt sofort für eine Nummer Eins entscheiden.  
Welche Überraschung, es ist Lehmann! Und weder Kahn noch Bayern-Fans oder Öffentlichkeit haben die Chance, starke  
Argumente dagegen zu finden. Klinsmann bekommt viel Lob durch alle Experten, sich für den 'besseren Fussballer'  
Lehmann zu entscheiden (übrigens sachlich vollkommen falsch. Lehmann kommt IMMER raus, meisten mit völlig falschem  
Timing). Lt. Klinsmann ist diese Entscheidung in den letzten Wochen 'gereift'. Ein glatte, unverschämte Lüge!  
Denn das war von Anfang an geplant.  
 
Wichtiger Teil der Selbstinszenierung war die Verfilmung der WM. Klinsmann stolzierte vor der Kamera hin und her  
und hielt filmreife Reden. War der große Motivator der Mannschaft. Als ob eine WM im eigenen Land und ein KO-Spiel  
nicht Motivation genug sind. Später wurde das ganze verfilmt, um die Geburt der Legende Klinsmann in die Herzen  
der Menschen zu bringen. Wunderbar.  
 
Klinsmann hatte sich erhofft, tatsächlich Weltmeister zu werden. Das wäre meiner Meinung nach mit Hitzfeld und  
Kahn auch möglich gewesen. Nach dem sehr guten Spiel gegen Schweden folgte das Viertelfinale gegen Argentinien.  
Der erste große Gegner. Argentinien spielte trotz Heimvorteil für Deutschland besser, nahm mit der Führung im  
Rücken dann plötzlich die stärksten Offensivspieler vom Platz und ließ Messi auf der Bank. Das war die falsche  
Nachricht, denn Deutschland kämpfte, glich aus und gewann im Elfmeterschießen. Klinsmann war Gott!  
Dazu reichten ein gutes Heimspiel gegen Schweden und eine gute zweite Halbzeit für ein Unentschieden gegen  
Argentinien. Gegen Italien gab es das Aus. Aber selbst das münzte Klinsmann noch mit einem dritten Platz  
in einen gefühlten WM-Titel um. Unglaublich. Vom Sommermärchen war die Rede, nachdem man bei der WM im eigenen  
Lande im Halbfinale rausflog, wobei es bei der WM im fernen Asien zuvor zum Finale gereicht hatte.  
 
Klinsmann war Gott auf dem Höhepunkt. Bei der gefährlichen EM konnte es nur bergab gehen, er als 'Normaltrainer'  
entlarvt werden. Also hörte er auf, erschöpft von der psychischen Belastung dieser größten Tat seit der Auferstehung  
Jesu.  
 
 
 
Jetzt wollte Klinsmann endlich der große Vereinstrainer werden. Wie die Leute von Ferguson sprachen, dass wollte er  
auch. Er wollte auch ein Ferguson sein! 20 Jahre als Gottgestalt regieren. Als Trainer-Gott konnte er sich die Vereine  
ja fast aussuchen. Und welche Mannschaft bietet die größte Erfolgsgarantie, selbst wenn man von Fußball keine Ahnung hat?  
Welche Mannschaft hat im eigenen Land keine Konkurrenz und könnte auch von Kermit dem Frosch erfolgreich trainiert werden,  
weil allein der überlegene Kader die Spiele gewinnt? Der FC Bayern! Im schlimmsten Fall wird man bei Bayern nur Meister.  
Aber der Pokal ist eigentlich auch fast sicher.  
 
Und tatsächlich schaffte Klinsmann es, die Bayern-Bosse mit seiner Vorgeschichte zu überzeugen.  
Trotz der Sicherheiten und der Planbarkeit des Erolges als Trainer der Bayern war Klinsmann von 'seinen' Ideen überzeugt.  
Er wollte schnell spielen. Er hatte seine Aufstellung, seine Spielweise.  
Was folgte war der schlechteste Start der Bayern seit 31 Jahren. Zwischendurch die höchste Heimniederlage seit Jahren,  
2-5 gegen Bremen. Klinsmanns innere Selbstzweifel und Komplexe bestätigten sich. Also ließ er die Mannschaft 1 zu 1  
mit der Hitzfeld-Aufstellung spielen. Und es ging. Die Bayern legten zum Ende der Rückrunde eine Serie hin. Mit Hitzfelds  
Taktik. Als Klinsmann in der Rückrunde wieder schnell und modern spielen wollte und es nicht lief, mussten sogar die Spieler  
ihm sagen, wie man spielen muss, und bestimmten die Ausrichtung für das Spiel gegen Sporting. Prompt gab es einen klaren Sieg.  
Weil die Mannschaft längst den Respekt verloren hatte und wegen fehlenden taktischen Fähigkeiten verlor Klinsmann dann  
alle wichtigen Spiele gegen gute Gegner: Hamburg, Leverkusen, Wolfsburg, Barcelona, Schalke. Siege gab es gegen die Mannschaften,
die alleine aufgrund des überlegenen Kaders der Bayern chancenlos waren.  
 
Was bleibt über die Zeit von Klinsmann zu sagen? Seinen ausgewählten Kapitän hatte er demontiert, Ribery hatte  
er Sonderrechte eingeräumt, gegenüber Rensing hatte er ein Versprechen nicht eingehalten. Podolski wurde von ihm, als er  
ihn noch nicht brauchte, links liegen gelassen, Borowski spielte trotz hervorragender Leistungen in der Hinrunde nicht.  
Dies alles in Kombination mit dem fehlenden Taktikverständnis kostete Klinsmann jeden Respekt in der Mannschaft.  
 
Viele Rekorde hat er binnen kürzester Zeit gebrochen: Schlechtester Saisonstart seit 31 Jahren, höchste Heimniederlage,  
höchste Auswärtsniederlage, höchste Championsleague-Niederlage, schlechtester Rückrundenstart in der Bundesligageschichte,  
meiste Heimgegentore seit langem. Podolski und Schweinsteiger hat er demontiert, Ribery und Toni wollen weg.  
 
Es sieht so aus, als müsste Klinsmann seine große Trainerkarriere auf ehrlichem, harten Weg bestreiten, nämlich von unten.  
Denn alle großen Vereine werden wohl nach dieser Bilanz die Finger davon lassen. Aber jemand, der so verschlagen ist wie  
Klinsmann, wird vielleicht doch einen Weg finden...